Siegesserie ausgebaut
Happyend im Tiebreak
LüneHünen 3:2 gegen Eltmann nach 1:2-Rückstand
Da haben die LüneHünen beim Ausbau ihrer Siegesserie im letzten Heimspiel dieses Jahres noch einmal ihr ganzes Repertoire geboten: von herausragenden Angriffen und spektakulären Abwehraktionen bis zu unsauberen Annahmen, von 20 Fehlaufschlägen bis zu 13 Assen, von dominanten Sätzen bis zu unerklärlichen Einbrüchen, von Spannung, und Dramatik bis zu einem souverän gewonnenen Tiebreak – alles war dabei bei diesem 3:2 (25:20, 21:25, 22:25, 25:20, 15:7) gegen die Heitec Volleys Eltmann, das die zwischendurch verzweifelnden Fans letztlich doch noch in euphorische Feierstimmung versetzte. Mit vier Siegen in Serie geht es nun noch am Sonnabend zu den Alpenvolleys Haching, bevor eine dreieinhalbwöchige Bundesliga-Pause anbricht.
Auch dieses Match zeigte wieder einmal, wie ausgeglichen das Erstliga-Feld in dieser Saison hinter Berlin ist. Denn die Achterbahnfahrt der Gefühle war beileibe nicht nur von den LüneHünen selbst verursacht, die nicht ihre beste Leistung abriefen (wie alle zugaben). Dafür sorgte auch ein starker Gegner, der nun so gar nicht wie ein Tabellenletzter mit bis dato nur drei Punkten auftrat. Die Unterfranken unterstrichen nachdrücklich, dass mit ihnen noch gerechnet werden muss.
Gäste spielen nicht wie ein Schlusslicht
Fast wäre schon in der Gellersenhalle der Knoten geplatzt. Die Gäste starteten selbstbewusst und hoch engagiert, gestützt auf eine sichere Annahme um den überragenden japanischen Libero Shunsuke Watanabe. Im Angriff zeigte nicht nur der serbische Nationalspieler Irfan Hamzagic, Nummer vier der Bundesliga-Topscorer, in der Diagonalen seine Qualitäten. Auch die Außen Carlos Antony und Tomas Halanda wurden von Polens 20-jährigem Zuspiel-Talent Nummer 1, Rafal Prokopczuk, immer wieder gut eingesetzt. Und in der Mitte war 2,08-Meter-Mann Luuc van der Ent mit 17 Punkten eine Klasse für sich.
Den besseren Start hatte allerdings die SVG. Zuspieler Leo Durkin, der statt des zuletzt angeschlagenen Gijs van Solkema begann, verteilte die Bälle gut über die ganze Spielfeldbreite auf Blake Scheerhoorn und Antti Ronkainen (je 5 Punkte), aber auch in die Mitte zu Michel Schlien (4). Da auch sonst alles stimmte, ging es ungefährdet (8:6, 16:13, 20:16) auf den ersten Satzgewinn zu.
Dann allerdings betrat mal wieder das „Rätsel SVG“ das Feld. Plötzlich ging nichts mehr, quasi mit jeder Aktion wurde das schlimmer. Plötzlich wurde Scheerhoorn geblockt, verschlug seine Schmetterbälle und Aufschläge. Die Gäste dagegen drehten auf, 3:8, 10:16 und 12:19 waren die Zwischenstände, bei denen sich die SVG mehr und mehr die 10-Minuten-Pause herbeisehnte, zumal auch ein Doppelwechsel (Michael Michelau und van Solkema) nichts half.
Ein Einbruch, der Rätsel aufgibt
In der ursprünglichen Formation ging es nach der Pause weiter, die Schwächen blieben: zu wenig Aufschlagdruck, eine steigende Fehlerquote im Aufschlag zudem. „Da haben wir zu viel den Libero getroffen, statt alle Zonen des Feldes einzubeziehen. Und insgesamt haben wir keinen Weg für ein Break gefunden“, sah Trainer Stefan Hübner nun zwar einen engeren Satz, aber eben keine Varianten, einen konstant spielenden Gegner zu erschüttern. Scheerhoorn blieb im Tief. „Normalerweise hätte ich ihn auswechseln müssen“, räumte der Coach später ein, doch wegen Rückenbeschwerden bei Jannik Pörner war das nicht möglich.
So war nur ein Wechsel des Zuspielers eine Option. „Das ist mir sehr schwer gefallen, denn Leo hat es gut gemacht. So hat mir seine Auswechselung wahnsinnig leid getan“, ließ Hübner später eine Änderung nach der zweiten technischen Auszeit Revue passieren, die letztlich doch entscheidend wurde. Denn mit van Solkema statt Durkin kam Eltmann wesentlich schlechter zurecht, Gästecoach Marco Donat sah in van Solkema später sogar den MVP. Satz drei ging zwar dennoch – knapp – verloren, beim 1:2-Zwischenstand drohte der SVG kurz vor Weihnachten die Rute.
Aber der Holländer war auf Touren gekommen, spielte nun häufig erfolgreich das erste Tempo oder den Pipe und fand sogar im wieder aus der Versenkung auftauchenden Scheerhoorn einen Abnehmer. „Das war klasse, man kann nach so einen Verlauf ja auch den Kopf in den Sand stecken“, zog Hübner verbal den Hut und erklärte das Phänomen so: „Er hat seinen Aufschlag von Sprung auf Flatter umgestellt, damit unter anderem mit zwei Assen Erfolg gehabt und sich so wieder Sicherheit geholt.“ Und Scheerhoorn selbst war erleichtert: „Das Team hat mir vertraut und mich so aus dem Loch mit herausgeholt.“
Scheerhoorn findet mit Macht aus dem Tief
So riss der Diagonalangreifer, der plötzlich am liebsten wieder jeden Ball haben wollte, das Spiel maßgeblich herum und führte die SVG mit 9 seiner insgesamt 18 Punkte in den Tiebreak. Nur mickrige 1 und 2 Punkte hatte er in den Sätzen davor verbucht. Nun fanden die Unterfranken kein Mittel mehr, lagen nur einmal in Front (16:15) und konnte diese Wende – ihren zweiten Saisonsieg schon vor Augen – kaum fassen.
Im Tiebreak hatte die SVG dann sogar die anfängliche Souveränität wiedergefunden. „In der schlechten Phase haben wir uns gesagt, dass wir einfach sehen müssen, im Spiel zu bleiben, dann läuft es schon irgendwann wieder“, drückte Kapitän Viktor Lindberg schelmisch lächelnd das Selbstbewusstsein aus. Er selbst untermauerte das mit zwei Assen anfangs des fünften Abschnitts. Beim Seitenwechsel (8:5) waren die Weichen schon gestellt. Dann stand Anton Brehme am Service, bisher nicht unbedingt seine Paradedisziplin. Aber er haute drei Asse und zwei Aufschläge mit Wirkung vom 11:7 auf 15:7 raus und strahlte: „Die Trainingsarbeit fruchtet. Wir arbeiten schon lange und intensiv mit vielen Wiederholungen daran.“ Und Coach Hübner freute das ebenso: „Das ist ein toller Entwicklungsprozess, wenn man zurückdenkt, was für Aufschläge er anfangs hatte. Zumal er heute auch mutig geblieben ist.“
Über das Match an sich urteilte Hübner: „Beide Mannschaften haben überragend angegriffen. Jeweils über 70 Prozent erfolgreiche Angriffe aus der Abwehr heraus sind Wahnsinnswerte. Wir sind natürlich froh über den Sieg gegen einen starken Gegner, auch wenn nicht alles perfekt bei uns war.“
Die SVG spielte mit: Lindberg, Schlien, Scheerhoorn, Ronkainen, Brehme, Durkin, Koslowsky; eingewechselt: Thole, van Solkema, Michelau, Krage.