
Verschnaufen nach der Sternstunde
CL-Viertelfinal-Tickets ab diesem Freitag erhältlich
Die Volleyball-Fachwelt staunt und der Laie wundert sich: Die SVG Lüneburg, die als Newcomer auf internationaler Ebene schon manche große Schlagzeile schrieb, sorgt immer noch wieder für neue Superlative – sowohl, was die sportliche Leistung als auch was die Dramatik angeht. Im letzten Jahr war es letztlich ein Vorstoß ins Finale des CEV Cups durch Gewinn des Golden Sets, nun also das Bewundern der Sensation über diesen sechsten, alles entscheidenden Satz im Playoff-Rückspiel zum Viertelfinale in der Champions League. Gegner wird Aluron CMC Warta Zawiercie aus Polen, das Hinspiel in der LKH Arena steigt am Dienstag, 11. März, wahrscheinlich 19 Uhr (Verhandlungen laufen noch). Wichtig für Fans: Der Vorverkauf startet an diesem Freitag, 28. Februar um 16 Uhr online unter https://tickets.svg-lueneburg.de/ Fest steht auch schon der Rückspieltermin: 18. März, 18.00 Uhr.
Ein Ausrufezeichen auch für die Bundesliga-Playoffs
Die Gelehrten mögen sich später einmal streiten, was hochwertiger und atemberaubender war: das Weiterkommen gegen Izmir vor Jahresfrist oder das nun gegen Berlin. Dem jüngsten Triumph ist jedenfalls ein eigenes Kapitel in den Vereins-Geschichtsbüchern zu widmen, schon wegen der Hochspannung bereits im ersten Duell über 2:33 Stunden Nettospielzeit. Nun kamen noch einmal zwei Minuten obendrauf. Und dass ausgerechnet in diesem Match der Knoten in der Hauptstadt platzte, wo die SVG noch nie gewonnen hatte, hat natürlich eine besondere Note. Offiziell steht unter dem Strich zwar ein 2:3, doch das Happyend im Golden Set wiegt natürlich doppelt schwer.
Nicht nur Berlin wurde damit ins Mark getroffen, das war auch ein Zeichen an Friedrichshafen für den Endspurt in der Bundesliga-Hauptrunde: an uns kommt ihr nicht mehr vorbei auf Platz 2! Und für ein mögliches Finale („best of 5“) sind dieses Hin- und Rückspiel in der Königsklasse auch in Berliner Köpfen. Geschäftsführer Kaweeh Niroomand schien es ja schon geahnt zu haben, als er im Vorfeld zitiert wurde: „Wir sind keine Automaten, die auf Sieg programmiert sind.“ Und dass die Meisterschaft wichtiger wäre. Der europäische Wettbewerb habe nicht die gleiche Wertigkeit. Eigentlich kaum glaubhaft, nachdem zu Saisonbeginn als Ziel ausgegeben wurde, in der Champions League mal weiter als ins Viertelfinale wie in den letzten vier Jahren zu kommen. Nun wurde es nicht einmal das.
Dass mit dem kränkelnden Ruben Schott ein Leistungsträger weitgehend auf der Bank blieb, konnte letztlich keine Erklärung sein. Zumal die SVG im Hinspiel ähnliche Sorgen hatte, als Theo Mohwinkel und Chefcoach Stefan Hübner krank fehlten. Eher war schon die Tatsache bemerkenswert, dass Zuspieler Johannes Tille viel weniger Lösungen fand als sein Pendant Michael Wright – abgesehen vom 1. Satz, als Wright noch gar nicht im Rhythmus war und auch Platz machen musste für Youngster Neo Laumann. Im 2. Satz bekam er aber wieder das Vertrauen – auch ein Zeichen für den Neustart der SVG – und steigerte sich beständig, inklusive drei Blocks und zwei erfolgreichen Angriffen, und verteilte die Bälle variabel.
Tille dagegen setzte vor allem auf Jake Hanes, eine Urgewalt im Diagonalangriff, aber auch von der Position 4 in der Rotation. 38 Punkte aus 67 Angriffen (plus vier Asse plus zwei Blocks) reichten aber letztlich nicht. Es war für die SVG selbst zu verschmerzen, das Ex-LüneHüne Florian Krage auf der anderen Netzseite ein ganz großes Spiel und viele Schwierigkeiten machte (19 Punkte, 67% Angriffsquote, 5 Blocks). Mittelblocker-Kollege Simon Torwie kam dagegen nicht wie gewohnt zum Zuge (4 Angriffspunkte, nur 1 Block), sorgte aber im Service stets für höchste Aufmerksamkeit beim Gegner (3 Asse).
„Das haben dieser Verein und all die Leute einfach verdient“
Torwie drückte dann anschließend auch aus, was wichtig war für diesen Triumph: „Vielleicht sind wir Underdogs, vielleicht nicht besser als Berlin – aber wir haben ziemlich viel Ehrgeiz, viel Wille, was Gutes zu machen. Und das hat heute gerade gereicht, um es gegen die Superstars aus Berlin mal zu kippen. Es gibt so viele Leute, die hier so viel Energie reinstecken, um diesen Verein dahin zu bringen, wo er heute angekommen ist: Top 8 Europas! Dieser Verein hat es verdient, die Leute dahinter haben es sowas von verdient, diesen Sieg zu kriegen. Grandioses Spiel! Es freut mich so sehr, dass wir den Verein jetzt belohnt haben.“
Und Coach Stefan Hübner stellte heraus: „Erster Sieg hier – kein schlechter Moment dafür! Wir genießen den Moment. Das schafft Selbstvertrauen, zu merken, man kann so einen Topgegner schlagen. Jetzt werden wir erstmal durchpusten.“ Aus ganz Deutschland – auch aus Berlin – trudelten tags darauf die Glückwünsche ein. Von „absolut irre“ über „Ihr seid der Hammer“ oder „einfach geil“ bis zu „ganz großer Sport“ oder „danke für diesen Abend“ lauteten die Kommentare.
Zawiercie ähnlich stark wie Jastrzebski Wegiel
Im Feld der Top 8 Europas wartet nun eine noch einmal größere Herausforderung. Zawiercie ist seit zwei Jahren in der PlusLiga der Haupt-Widersacher von Jastrzebski Wegiel, das in Lüneburg ja bestens bekannt ist. Schon allein das reicht eigentlich, um die Klasse dieses Gegners zu beschreiben. Aktuell ist das Team Hauptrunden-Zweiter hinter dem Dominator, in der vergangenen Saison war Zawiercie Vizemeister nach 1:2-Finalniederlagen gegen Wegiel sowie Pokalgewinner durch ein 3:1 gegen den Rivalen.
Chefcoach ist seit 2022 Michal Winiarski, der Bundestrainer der deutschen Nationalmannschaft, der sich somit schon mal mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut machen kann, bevor er im August hier zwei Länderspiele gegen Belgien in der WM-Vorbereitung austrägt. In Zawiercie hat der 41-Jährige kürzlich bis 2029 verlängert. Stars in seinem Team sind u.a. Weltklasse-Mittelblocker Mateusz Bieniek, der australische Libero Luke Perry, US-Außenangreifer Aaron Russell und US-Diagonalangreifer Kyle Ensing. Perry und Ensing spielten auch schon in Berlin, Russell gewann 2024 mit den USA Olympia-Bronze gegen Welt- und Europameister Italien. Ausführlicher stellen wir Zawiercie hier in Kürze vor. (hre/gm)