Saisonrückblick
Als Trostpflaster einer bizarren Saison 2021/22 bleibt Silber
Viele Hochs und Tiefs nicht nur rein sportlicher Art
Die Saison 2021/22 ist bei der SVG Lüneburg noch einmal aufgearbeitet und analysiert, die letzten PR-Verpflichtungen sind erledigt, die ausländischen Spieler sind in ihre Heimatländer geflogen und machen Urlaub oder/und warten auf Einladungen ihrer Nationalteams – Zeit, einen letzten, bilanzierenden Blick auf die abgelaufene Spielzeit zu werfen.
Das achte Jahr 1. Liga wird wohl als eins der wechselhaftesten in Erinnerung bleiben. Es war nicht nur sportlich von Hochs und Tiefs geprägt, sondern glich auch emotional einer Achterbahnfahrt. Das begann schon weit vor der Saison. Der Vorfreude auf den nach Jahren endlich winkenden Umzug in die neue Arena folgte der Frust weiterer Bauverzögerungen und schließlich der Tiefschlag, als es hieß, dass ein Spielen dort nicht vor November möglich sein würde. Als Folge musste sogar der längst fertige Bundesliga-Spielplan durch Heimrecht-Tauschaktionen angepasst werden: Die LüneHünen begannen mit sechs Auswärtsauftritten in Serie, darunter zum Start bei den „Großen Zwei“, Friedrichshafen und Berlin – Fehlstart vorprogrammiert (1:3 und 0:3).
Internationale Premiere ein großes Highlight
Bei der Heimpremiere am 3. November ging es dann sogar noch einmal zurück in die Gellersenhalle, dann endlich war die LKH Arena – wenn auch noch Baustelle – bereit. Eine Punktlandung, denn am 10. November stand die internationale Premiere der SVG bevor. Und die wurde ein Highlight nicht nur der Saison, sondern in der Vereinsgeschichte. Serbiens Pokalsieger Ribnica Kraljevo wurde mit 3:0 vor knapp 1000 begeisterten Fans wieder nach Hause geschickt. Zwar kam im Rückspiel im CEV Cup das schnelle Aus durch eine Niederlage im Golden Set. Doch weitere Feierstunden in der Arena folgten durch ein 3:2 gegen Friedrichshafen und durch einen abermaligen Einzug ins Finale des DVV-Pokals mit einem 3:2 gegen Herrsching. Im Endspiel gab es dann zum dritten Mal gegen Friedrichshafen ein Aus der Träume (1:3).
Zuvor hatte im Spät-Herbst die nächste Corona-Welle eine Hauptrolle übernommen: Hygiene- und Test-Regeln, Zuschauerbeschränkungen, in einigen Hallen erneut Geisterspiele, Spieler- und Spielausfälle, schließlich Abbruch der Hauptrunde, obwohl noch insgesamt neun Matches ausstanden. Die erstmalig eingeführte Zwischenrunde, weil die Liga im Sommer auf nur neun Teams geschrumpft war, sollte wenigstens störungsfrei laufen können. Das blieb Wunschdenken, auch in der Zwischenrunde fanden zwei Matches nicht statt, um die Playoffs pünktlich starten zu können. Die SVG war, wie schon in der Hauptrunde (Heimspiel gegen Haching), auch betroffen (Heimspiel gegen Giesen).
Damit noch nicht genug der Merkwürdigkeiten in dieser alles in allem bizarren Saison. Abgesehen davon, dass Frankfurt wegen Lizenzverstößen noch Punkte abgezogen wurden und sich die Playoff-Paarungen dadurch änderten – ganz zum Schluss holte die bis dahin weitgehend verschonten LüneHünen Corona noch ein. Mehrere Fälle trugen zum Aus im Viertelfinale – eben gegen die Frankfurter – bei. Im ersten Duell kam es sogar zur kuriosen Situation, dass Teammanager und Geschäftsstellenleiter Matthias Pompe drei Jahre nach seinem Karriereende noch einmal als Libero ran musste. Der 38-Jährige war im Saisonverlauf auch schon als Co-Trainer und Chefcoach eingesprungen. Und Co-Kommentator im Streaming-Portal war er ja oft auch noch.
Corona immer noch ein bestimmendes Liga-Thema
Im zweiten Spiel gegen Frankfurt war dann der Kader fast wieder komplett, die Corona-Nachwirkungen aber noch offensichtlich. Kein Wunder, dass Chefcoach Stefan Hübner das Fazit zog: „Es ist ein bisschen frustrierend, wenn das Saisonende so kommt. Man spürt eine gewisse Ohnmacht. Von Corona so stark ausgerechnet in der entscheidenden Phase betroffen zu sein, hinterlässt einen Beigeschmack. Auch wenn man natürlich nicht weiß, ob wir im Normalfall weitergekommen wären.“
Als Trost blieb Silber im Pokal, Bronze in der Bundesliga gab es somit dieses Mal nicht. Das war aber nicht nur der Pandemie geschuldet. Auch ein tiefer Blick in die Statistiken liefert Belege, warum es dafür nicht reichte. Die SVG landete im Teamranking in vielen Elementen im unteren Drittel, teils sogar auf dem letzten Platz (z.B. Annahme). Zweiter wurde sie bei den Angriffspunkten und im Ranking Blockpunkte (jeweils hinter Düren). Bei den Einzelstatistiken taucht kein LüneHüne bei Aufschlag sowie Annahme in den Top 20 auf. Selbst in den Top 10 sind Platzierungen rar gesät: Pearson Eshenko 7. bei Blockpunkten, Dalton Solbrig 5. im Bereich Angriffseffizienz (59,7%) und dann, als große Ausnahme, Jordan Ewert 3. bei den Topscorern und sogar 1. im Ranking Angriffspunkte (221) vor Sebastian Gevert (Düren, 211) und Brandon Rattray (Netzhoppers, 200).
Immerhin auf Platz 9 taucht bei den Angriffspunkten noch Arthur Nath auf. Der Brasilianer erwies sich ja als mehr als eine Notlösung auf der ungewohnten Position Diagonalangriff, auf die er etwa zur Saisonmitte von Außen wechselte – die Problemposition. Denn Jannik Pörner fiel monatelang verletzt aus und Richard Peemöller fand nach einer Fußverletzung nie wieder zur Form der Vorsaison. Profiteur von Naths Wechsel war auch Auke van de Kamp, der danach zum Stammspieler und Leistungsträger wurde, immer besser, je länger die Saison dauerte – ein Neuzugang, der wie Zuspieler Joe Worsley und Mittelblocker Pearson Eshenko zum Volltreffer wurde. Worsley und van de Kamp waren auch die einzigen, die in sämtlichen 28 Matches der Saison auf dem Feld standen. Der Überblick für alle Spieler:
(Einsätze gesamt – Haupt- u. Zwischenrunde/Playoffs/DVV-Pokal/Europacup):
van de Kamp, Auke 28 – 20/2/4/2
Worsley, Joseph 28 – 20/2/4/2
Solbrig, Dalton 27 – 20/2/4/1
Koslowsky, Tyler 26 – 19/1/4/2
Nath, Arthur 26 – 19/2/3/2
Ewert, Jordan 25 – 18/2/3/2
Schlien, Michel 25 – 17/2/4/2
Eshenko, Pearson 24 – 17/2/3/2
Peemüller, Richard 21 – 14/2/4/1
Gerken, Hannes 20 – 16/0/3/1
Pörner, Jannik 17 – 12/0/3/2
Stöhr, Tim 15 – 11/1/3/0
Mohwinkel, Theo 5 – 4/0/1/0
Pompe, Matthias 1 – 0/1/0/0
Bundesliga-Spieltag zusammengefasst
Das ist nach dem bisherigen Saisonverlauf eine Überraschung: Der in Haupt- und Zwischenrunde so inkonstante VfB Friedrichshafen steht als erste Mannschaft im Endspiel, hat in der „best-of-5″-Halbfinalserie nur drei Matches gebraucht, um die stärker eingeschätzten powervolleys Düren zu eliminieren. In einem hitzigen dritten Duell behielt der Rekordmeister in rekordverdächtigen 151 Minuten immer die Nerven, auch, als Ende des dritten Satzes nach vermeintlichen Schiedrichter-Fehlentscheidungen die Dürener Emotionen mit minutenlangen Diskussionen, mit Gelben Karten und einer Roten, sowie mit Pfeifkonzerten hoch schlugen.
Bei den Nordrhein-Westfalen enttäuschten vor allem die Routiniers Tomas Kocian und Sebastian Gevert, die auch ihren Konkurrenten Eric Burggräf und Filip John Platz machen mussten. Aber letztlich konnte nicht einmal der alle überragende, wie aufgedreht spielende Tobias Brand (52 Angriffe, 30 Punkte und grandiose Abwehraktionen) das Saison-Aus abwenden. Düren ließ zu viele Chancen liegen, auch Satz- und Matchbälle.
Berlin rehabilitierte sich für das 1:3 in Frankfurt im zweiten Spiel und schickte die Hessen mit einem klaren 3:0 wieder nach Hause. Die zuletzt schwachen Ben Patch, Tim Carle und Jeff Jendryk waren wieder auf der Höhe, zudem der zuvor angeschlagene Ruben Schott wieder fit. Bei United kam Daniel Malescha nicht wie gewohnt zum Zug. Spiel vier findet am kommenden Sonnabend um 19 Uhr wieder in Frankfurt statt, zu sehen im Stream auf www.twitch.tv/spontent mit Vorberichterstattung ab 18 Uhr.
Die Halbfinals im Stenogramm, 3. Spiel:
Berlin Recycling Volleys – United Volleys Frankfurt 3:0
(25:18, 25:17, 25:22 – Stand: 2:1)
73 Min., 2819 Zuschauer
MVP: Schott – Tsuiki
Scorer: Patch (18), Carle (10), Schott (9), Jendryk, Mote (je 6), Grankin (5), Kessel (1) – Lindberg (10), Malescha (9), Staples (7), Baxpöhler (6), Reinhardt (2), Dervisaj, Weir (je 1)
powervolleys Düren – VfB Friedrichshafen 2:3
(25:20, 20:25, 22:25, 30:28, 17:19 – Stand: 0:3, VfB im Finale)
151 Min., 1250 Zuschauer
MVP: Brand – van Berkel
Scorer: Brand (30), John (9), Röhrs, Ernastowicz, Pettersson (je 8), Gevert (5), Broshog (3), Urban (2), Burggräf, Kocian (je 1) – Vicentin (21), Cacic (20), Hirsch (18), Böhme, van Berkel (je 9), Muniz (2), Vincic (1)
NEWS aus der Liga
Langzeit-Coach Max Hauser tritt bei den WWK Volleys Herrsching in den Hintergrund. Der 38-Jährige, der die Bayern schon als Spielertrainer betreute und von der Bayernliga mit fünf Aufstiegen in Folge seit 2009 bis in die Bundesliga (2014) führte, wird in Herrsching Geschäftsführer für den abtretenden Fritz Frömming. Ein neuer Chefcoach soll demnächst bekannt gegeben werden, Hauser soll dann dessen Co-Trainer und Sportlicher Leiter werden. Zunächst coacht er aber die deutsche U23-Auswahl bei der Universiade (Studenten-WM) in Chendu/China vom 26. Juni bis 7. Juli.
Einer der herausragenden Spieler der Bundesliga bleibt bei den United Volleys Frankfurt: Diagonalangreifer Daniel Malescha hat seinen Vertrag für ein drittes Jahr verlängert.
Giani-Nachfolger schon gefunden
Der Pole Michal Winiarski neuer deutscher Männer-Bundestrainer
Eine spannende Lösung hat der deutsche Volleyball-Verband (DVV) bei der Suche nach einem neuen Bundestrainer für die Männer-Nationalmannschaft gefunden. Der Pole Michal Winiarski, derzeit Chefcoach von Nationalteam-Kapitän Lukas Kampa und Moritz Reichert bei Trefl Gdansk in der starken polnischen PlusLiga, hat einen Drei-Jahres-Vertrag unterschrieben und übernimmt damit die Nachfolge des Italieners Andrea Giani, der gerade kurzfristig – wie berichtet – zu Olympiasieger Frankreich wechselte.
Winiarski ist zwar erst 38 Jahre alt, hat sich aber in seiner jungen Trainerkarriere (Gdansk seit 2019, davor 2 Jahre Co-Trainer in Belchatow) schon viel Respekt erworben und galt auch als Kandidat für die Nachfolge des abgetretenen polnischen Nationaltrainers Vital Heynen. In Polen wird er in der nächsten Saison jedoch neuer Chefcoach bei Warta Zawiercie in der PlusLiga.
In seiner aktiven Zeit war er ein höchst erfolgreicher Außenangreifer, der Titel zuhauf gewonnen hat. 2014 war er Kapitän im polnischen Weltmeister-Team. Mit Polen wurde er 2009 auch Europameister und bestritt mehr als 200 Länderspiele, nahm 2008 in Peking und 2012 in London zweimal an Olympischen Spielen teil (jeweils 5.). Zudem wurde Winiarski in Italien mit Trentino Itas Champions-League-Sieger 2009 sowie Meister und Pokalsieger und gewann auch in seiner Heimat diverse Vereinstitel in der PlusLiga.
SVG-NEWS in Kürze
Auf die Männer der SVG Lüneburg II wartet in der Aufstiegsrunde der Regionalliga Nordwest am Sonntag, 16 Uhr, die letzte Saisonaufgabe, wenn die Vallstedt-Vechelde Vikings in die Gellersenhalle kommen. Für die SVG steht Platz 3 schon fest, für die Gäste Platz 5.